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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783552053731
Sprache: Deutsch
Umfang: 176 S.
Format (T/L/B): 1.8 x 20.9 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Liebe und Hass zu Prag liegen für Peter Demetz nah beieinander. 1948 musste der heute in den USA lebende Wanderer zwischen den Sprachen unter lebensgefährlichen Umständen seine Stadt verlassen. Böhmen - seiner Heimat - widmet er nun seinen neuen Essayband. Inwieweit lässt das Nebeneinander verschiedener Sprachen und Ethnien ein tschechisches Nationalitätsbewusstsein zu? Welche Rolle spielt Literatur? Und wie wird damit während eines politischen Ausnahmezustandes umgegangen? In zehn Variationen geht Demetz den Zusammenhängen zwischen Politik und Literatur auf den Grund. Lehrreich und erhellend, ohne jemals belehrend zu sein.

Autorenportrait

Peter Demetz, 1922 in Prag geboren, flüchtete 1948 in den Westen. Er promovierte sowohl in Prag als auch in Yale, wo er bis zu seiner Emeritierung deutsche und vergleichende Literaturwissenschaft lehrte. Bei Zsolnay erschienen Die Flugschau von Brescia (2002), Böhmen böhmisch (2006), die Erinnerungen Mein Prag (Neuauflage 2019) sowie Diktatoren im Kino (2019).

Leseprobe

Eine Prager Buchhandlung - 1943 Inmitten der Prager Wassergasse (die aber nichts mit Wasser, sondern mit Herrn Stadtrat Vodicka, zu deutsch: Wässerchen, zu tun hatte) befand sich in den Kriegsjahren eine deutsche Buchhandlung, etwa an der Stelle, wo heute ein neuer Sandwich-Shop mit dem eleganten Namen Baguetterie zum Besuch einlädt; und man sieht es den Glasscheiben der Auslagen nicht mehr an, wie oft ich sie mit dem Ladendiener Josef putzen mußte. In der Auslage waren Hans Carossa, Bruno Brehm und andere zu sehen; und als ich einmal eine Landkarte Nordafrikas zum Zeitpunkte im Schaufenster entfaltete, als Rommel mit Mann und Roß und Wagen vor den Alliierten flüchtete, befahl mir die Chefin, die aufs politisch Korrekte bedacht war, die Landkarte ja gleich wieder zusammenzupacken, und selbst mein Argument, die Vorübergehenden sollten sich mit der geographischen Szene zukünftiger glorreicher Rommel-Offensiven vertraut machen, half nichts. Leicht hatte sie's ja nicht, die Chefin; ihr Mann war beim Spieß, wie man damals sagte, allerdings weder im Kaukasus noch in Tripolis, sondern bei der Wehrmacht-Leitstelle am Prager Denisbahnhof, etwa fünfzehn Minuten eines gemächlichen Spaziergangs vom Laden entfernt. Am Samstag nachmittag kam er ins Geschäft, in einer Parade-Landseruniform und mit kupferner Nase, ein Wehrmacht-Schwejk ersten Ranges. Wir arbeiteten also unter dem wachsamen Auge der Chefin und aufs Überleben bedacht, denn die sogenannte Belegschaft bestand aus zwei amtlich beglaubigten Halbjuden, einem tschechischen Ladendiener, einer tschechischen Buchhalterin und einer tschechischen Elevin, die noch nie ein Buch gelesen hatte, auch nicht in ihrer Muttersprache. Wir waren also nicht sehr germanisch artgerecht, hinten im Büro Herr Glass aus Wien, mit stahlblauen Augen und einer jüdischen Mutter, und mit Lineal und Feder täglich Lieferscheine kalligraphisch ausstellend; ich, ditto, aber ohne blaue Augen und in allerdings exponierterer Stellung vorne am Ladentisch dem Dienst am Kunden obliegend. Jedenfalls entwickelte ich einen ideologisch-kulturpolitischen Röntgenblick, denn sobald die Kundschaft die Tür geöffnet hatte, wußte ich auch schon, nach Frisur, Hütchen oder Lodenoutfit urteilend, ob die erste Frage Rudolf G. Binding galt (Feldpostausgabe) oder dem Antiquariat, und das war das ominöse Problem. Wer antiquarische Bücher suchte, wollte manchmal nicht nur Stifter, sondern womöglich Thomas oder Heinrich Mann oder gar Alfred Döblin, und da mußte man höllisch aufpassen, das richtige Buch an den richtigen Mann oder die Frau zu bringen; oder aber, wenn man der Kundschaft nicht recht traute, so lange Ganghofer oder Ina Seidel heranzuschleppen, bis der unbequeme Frager wieder verschwunden war. Unter den Antiquariatsfreunden waren nicht wenige graumelierte Herren aus dem Altreich, die sich klugerweise ins dramaturgische Büro der Prag-Film am Barrandov abgesetzt hatten. Viele kamen mit einer besonderen Empfehlung meines Freundes Vladimír, der in der großen Orbis-Buchhandlung am Wenzelsplatz arbeitete, und das wieder hieß, daß ich diese hochgebildeten Herren durch einige Fragen über die Frühphasen des Expressionismus zu überprüfen hatte, und wenn sie bestanden, holten wir die interessanteren Sachen aus dem Keller. Eines Tages erzählte ich meinem Vater von einem dieser emsigen Antiquariatsfreunde, und als er hörte, daß er Hugo Zehder hieß und aus Dresden kam, belehrte er mich, daß ich es mit dem Erzvater des sächsischen Expressionismus zu tun hatte, der über jeden Verdacht erhaben war. Der Samstag nachmittag war besonders anstrengend, denn da strömte alles, was dienstfrei hatte, in die engen Räumlichkeiten. Der Chef mischte sich katzbuckelnd unter die Kunden, und wir hatten alle Hände voll zu tun, um den damaligen Bestseller 'André und Ursula', einen sentimentalen Liebesroman, sozusagen in Dokumenten, aus dem Depot in die Regale zu plazieren. Da stellte sich auch die Alt-Prager patrizische Kundschaft ein, Frau Primarius Bumba m Leseprobe

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