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Generation Hitlerjugend

Reflexionen über eine Verführung

Erschienen am 31.01.2018
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783866382299
Sprache: Deutsch
Umfang: 600 S., 220 Illustr., mit zahlreichen historischen
Format (T/L/B): 5 x 22 x 15 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Eine Altersweisheit Goethes in Anspruch nehmend sind wir in unserer lebendigen Existenz zwar endlich und irgendwann zum Tode bestimmt. Destoweniger empfiehlt uns der Dichter, uns in der "Betrachtung irdischer Nichtigkeit nicht zu verlieren". Wir sind jederzeit dazu aufgerufen, in gültiger und angemessener Form Bilanz zu ziehen. Deshalb sind wir ja eben da, "um das Vergängliche unvergänglich zu machen" (Maximen und Reflexionen). Dies setzt eine ständige lebensgeschichtliche -Reflexion voraus, die Wesentliches von Unwesentlichem trennt, den Blick aber auch vor dem Missliebigen und Belastenden nicht verschließt und der Wahrheit und Einsicht zugänglich bleibt. So möchte dieses Buch meine eigene Geschichte gegen eine notorische Geschichtsvergessenheit erzählen. Goethes Gedanke hat mich bei der Beschäftigung mit diesem Buch geleitet: Es handelt von der "Generation Hitlerjugend", von meinem Jahrgang 1925. Meine Altersgenossen und ich waren bei der Machtergreifung acht Jahre alt - und am Kriegsende, falls noch am Leben, 19 Jahre. Wir Kinder dieser Generation waren für Hitler keine im toten Winkel zu vernachlässigende Mängelwesen. Wir wurden mit dem pompösen Begriff, stolze Erben und Zukunft zugleich eines tausendjährigen Reiches zu sein, die standhafte Säule des Großdeutschen Reiches. Diese geglaubte Überhöhung unserer selbst hat uns pochenden Herzens geschmeichelt. Den freundlichen Imperativ "Kinder schafft Neues" hatte Goebbels von Richard Wagner ausgeborgt. Im Kontext der verbrecherischen Politik des Dritten Reiches aufgewachsen, war ich davon in besonders fataler Weise geprägt. Mit dieser Generationserfahrung eng verbunden ist meine frühe reale und geistige Biographie von Umbrüchen meiner jeweiligen Gegenwart geprägt. Die Rückschau auf die Fieberkurve der Geschichte hat den komplexen, aber eindeutigen Zusammenhang von kollektiv organisierter Jugend, Relativierung und Aushöhlung schulischer und akademischer Bildung, instrumentalisierter Alltagskultur und Demokratie-Feindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus, Propaganda und Größenwahn freizulegen, über den eigenen Erfahrungshorizont hinaus: Mitten in der Geschichte der zweiten Hälfte des so arg malträtierten und sich ins Verderben stürzenden zwanzigsten Jahrhunderts begann unsere Sozialisation. Es gilt nun im besten Hegelschen Sinn meine eigene "Zeit in Gedanken zu fassen". In Thomas Manns Roman "Lotte in Weimar" (1939), antwortet Goethe weise mahnend, als sein Sohn August ihn danach fragte, ob er an seiner Biographie arbeite oder an einem dichterischen Werk: "Lebensgeschichte ist's immer"; gleichgültig also, ob Dichtung oder erinnerte Begebenheit, beide haben immer einen lebensgeschichtlichen Kontext in gestalteter Form. Aber wie eindringlich und vor allem wie aufschlussreich lässt sich die dunkle Zeit als ein Stück eigener und selbst zu verantwortender Lebensgeschichte vergegenwärtigen, in der das noch junge unbeschwerte Bewusstsein besonders effektiv unter der großen Glocke von Propaganda, Verführung und Einschüchterung geprägt wurde? Die Frage lautet also, ob man sich in subjektiver Perspektive nur in die Reproduktion längst abgefragter Lebensläufe begibt und in die unoriginelle Vertiefung des damals massenweise gefährlich eskalierenden Nationalismus, einer in Gewalt und Aggression gedrehten Mischung aus Ergebenheit, Denkfaulheit und im Sinne Immanuel Kants "selbstverschuldeter Unmündigkeit". Als ich noch sehr jung war, folgten wir blindlings schon dem unsere Epoche prägenden schwarzen Symbol des Hakenkreuzes, dem wir jetzt zu folgen hatten. "Die Jugend ist die einzige Zeit", befindet Marcel Proust, "in der man etwas lernt"; wir mussten Gehorsam lernen und unter der Projektionsfläche des Hakenkreuzes eine inhumane Ideologie. Als Jugendlicher im Reich des "Führers" von Kindesbeinen an als "Pimpf" aufgezogen und bewusstseinstechnisch als "Pimpf" auch in den reiferen Jugendjahren und der frühen Erwachsenenzeit im Herdentrieb mit dem stolzen Gefühl gebraucht zu werden weiter soz

Autorenportrait

Hilmar Hoffmann, geboren 1925 in Bremen, hat sich als Kulturschaffender und, im besten Sinne, als »Kulturfunktionär« in verschiedenen Städten für Kulturprojekte eingesetzt. Heute lebt er in Frankfurt am Main, wo er 20 Jahre als Kulturdezernent und Kulturstadtrat tätig war und das Museumsufer in Frankfurt ist sein Lebenswerk. Hoffmann war u.a. Gründer der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, wo er ebenfalls als Kulturdezernent arbeitete, neun Jahre wirkte er als Präsidenten des GoetheInstituts. Mit seiner Position »Kultur für alle« hat er entschieden politische Weichen gestellt.